„Nachhaltiges Bauen ist weit mehr als Holz“
Der Naturbau-Campus in Oschatz hat es sich zum Ziel gesetzt, den ökologischen Fußabdruck der Bauwirtschaft durch den Einsatz nachwachsender, regional angebauter Rohstoffe zu verringern. Dazu setzt das Projekt auf Qualifizierung von Fachkräften, Aufklärung bei Bauherren und Behörden, die Erforschung neuartiger Produkte und Verfahren sowie den Aufbau regionaler Wertschöpfungskreisläufe.
„Beim Thema ökologisches Bauen denken die meisten Menschen immer noch vor allem an Holz. Dabei ist die Bandbreite an nachhaltigen und vor allem regionalen Baustoffen viel größer, von Hanf und Stroh über Lehm und Kaolin, als auch Porzellanerde bis zu Schafwolle“. David Pfennig, Vorstand des Bildungswerks für nachhaltige Entwicklung e.V. weiß, wovon er spricht. Der Bauunternehmer und Experte für ökologische Sanierung hat selbst einen neuartigen Dämmstoff aus Hanffasern entwickelt, der alle bautechnischen Richtlinien erfüllt und für den die nachwachsenden Rohstoffe regional hergestellt werden.
Um über die Möglichkeiten ökologischen Bauens zu informieren, regionale Wertschöpfungsketten aufzubauen und an neuartigen Rohstoffen für die Bauwirtschaft zu forschen, hat er mit einer Vielzahl regionaler Mitstreiter den Naturbau-Campus Oschatz ins Leben gerufen. Auf dem Gelände einer alten Filzfabrik soll ein Bildungs-, Forschungs- und Netzwerkzentrum rund um Naturbaustoffe entstehen. Getragen wird das Vorhaben vom Verein Bildungswerk für nachhaltige Entwicklung in Zusammenarbeit mit der HTWK Leipzig und einer Reihe lokaler Unternehmen. Auch der Landkreis Nordsachsen unterstützt das Vorhaben und hat es aufgrund seiner innovativen und wirtschaftlichen Potenziale in das Kreisentwicklungskonzept aufgenommen.
Wie wichtig das Thema ist, zeigt ein Blick auf die Statistiken. Demnach ist die Baubranche in Deutschland für 70 Prozent des Flächenverbrauchs, 50 Prozent des Ressourcenverbrauchs und 40 Prozent der CO2-Emmision verantwortlich. Gleichzeitig müssen bundesweit rund 14 Millionen Bestandsgebäude in den kommenden Jahren energetisch saniert werden, um den gesetzlichen Vorgaben zum Klimaschutz zu entsprechen.
Auch Anja Helbig, Chefin der Marketingagentur „Maikirschen“ aus Oschatz engagiert sich im Bildungswerk für nachhaltige Entwicklung und für den Naturbau-Campus: „Das Spannende für mich ist, dass hier Menschen aus ganz verschiedenen Bereichen, aus Theorie und Praxis und damit sehr unterschiedliche Sichtweisen und Kompetenzen zusammenkommen. So entsteht ein ideales Umfeld für innovative Lösungen und Produkte.“
Für eine Bauwende hin zu ökologischen, regionalen Produkten bedarf es aus Sicht von David Pfenning und Anja Helbig auch Veränderungen bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen, etwa im Vergaberecht und viel Aufklärungsarbeit bei Bauplanern, Architekten und in den Behörden. Hier will der Naturbau-Campus zukünftig als Beratungsstelle für Politik, Verwaltung und Bauherren fungieren. Einen ersten Schritt dahin bildet der erste Fachtag für nachhaltiges Bauen und Sanieren an der HTWK Leipzig, bei dem Anfang Oktober rund 175 Expertinnen und Experten aus Planung Forschung und der Praxis zusammenkamen, um sich über die aktuellen Herausforderungen für ein ökologisches regionales Bauen und neue technologische Entwicklungen und deren Anwendung auszutauschen.
Noch viel früher setzt die Aufklärungsarbeit über nachhaltiges Bauen im Rahmen eines weiteren Projektes an. Mit Projekttagen an regionalen Schulen führen die Macher des Naturbau-Campus Kinder und Jugendliche spielerisch an das Thema heran. So lernten im Juni die Schülerinnen und Schüler der 4. Klasse der Grundschule „Zum Bücherwurm“ in Oschatz den Umgang mit dem Jahrtausende alten Baustoff Lehm sowie mit Hanf, Schafwolle, Tannenzapfen, Maiskolben und Kokosnuss-Schalen. „Die Kinder und Jugendlichen von heute werden die neuen Bauherren von morgen sein. Hier wollen wir schon in der Bildungsarbeit ansetzten und darstellen, welche Möglichkeiten des Bauens es gibt“, erläutert Anja Helbig.
Möglich wurden diese und andere Aktivitäten des Naturbau-Campus durch die Förderung über das Bundesmodellvorhaben UNTERNEHMEN REVIER des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. „Das hat es uns ermöglicht, den Aufbau unseres Netzwerkes professionell voranzubringen und erste Veranstaltungsformate zu organisieren. So konnten wir das Thema nachhaltiges Bauen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen und die Vernetzung der regionalen Akteure fördern“, so David Pfenning. Insgesamt wird das im März 2023 gestartete Projekt mit 126.815 EUR gefördert.
Bereits jetzt planen die Macher für die Zeit nach Abschluss der Initiierungsphase im Dezember 2024. So soll ein Netzwerkmanager den Aufbau des Kompetenzzentrums weiter vorantreiben, bereits jetzt sind für 2025 erste Veranstaltungsformate und Qualifizierungsangebote für Mitarbeiter und Auszubildende aus der Baubranche sowie der Ausbau der Kooperationen über die Grenzen des Landkreises Nordsachsen hinaus geplant. David Pfenning ist sich sicher: „Mit dem Naturbau-Campus können wir perspektivisch nicht nur unseren Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele leisten, sondern auch gleichzeitig der Baubranche und dem Handwerk in der Region neue Wertschöpfungspotenziale eröffnen.“
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